Ein Brief von Alexia aus der JVA Köln
Das Strafvollzug in der heutigen Zeit leider nicht den entsprechenden Bedürfnissen aller Inhaftierten angepaßt ist, steht außer Frage. Knast ist keine Lösung. Besonders Trans* Inter* und Queere Personen haben es sehr schwer damit ihre Bedürfnisse auf in Haft durchzusetzen. Es gibt keine vernünftige Grundlage zur sogenannten Resozialisierung. Die Strafvollzuggesetze geben es einfach nicht her. Was aber auch den sogenannten normalen Inhaftierten sehr schwer macht ihre Rechte durchzusetzen. Die Akzeptanz ist einfach nicht da in der Bevölkerung. Wegsperren steht einfach an der Tagesordnung. Medizinische Versorgungen werden nur sehr gering durchgeführt, da die JVA’s die Kosten selbst tragen müssen. Diese sollen zwar an die Krankenkassenleistungen angeglichen werden, was aber nicht passiert. Klagen werden auf den Weg gebracht, aber meistens wird die Entscheidung zu Gunsten der JVA’s getroffen. Egal um was es geht. Der Aspekt Sicherheit und Ordnung steht immer an erster Stelle. Wenn es doch einmal einen Erfolg der Klage gibt wird diese nur widerwillig umgesetzt. Oder anderweitig umgangen. Das ist einfach Normalität in Haft und in den Knästen.
Besonders haben es eben die oben genannten Menschen damit zu tun die eben „Anders“ sind, als die Normalen. Es gibt einfach keine Regelungen und natürlich einen besonderen Regelungsbedarf.
Trans* Inter* und Queere Personen haben es in Haft mit einem stark erhöhten Belastungsgrad zu tun und die Gefahr der Traumatisierung ist sehr hoch. Haftvermeidung sollte und muss an erster Stelle stehen. Es muss geprüft werden ob überhaupt Haftfähigkeit vorliegt. Hierbei ist auch einzubeziehen, ob die spezifischen Bedürfnisse durch die Gesundheitsversorgung in Haft erfüllt werden können. Programme zur Haftvermeidung sind unbedingt zu bevorzugen.
Rechtliche, medizinische und soziale Transition sind aktuell nicht möglich. Es ergibt sich ein dringender Änderungsbedarf, da sich diese Einschränkungen auf die Gesundheit der Personen auswirken und einen nicht zu rechtfertigenden Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte für die betroffenen Personen darstellen. Es geht schon in die Richtung der Menschenrechts- und Körperverletzung. Dadurch ergibt sich folgende Aufforderung zur Stärkung der Rechte:
- Recht auf körperliche Unversehrtheit und Anerkennung von Trans* Inter* und Queeren Personen als besonders schutzbedürftige Gruppen
- Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Zusammenarbeit mit externen Vertragsärzt_innen, um eine kompetente trans*-inter* sensible Gesundheitsversorgung sicherzustellen
- Recht auf Änderung des Personenstandes.
- Recht auf medizinische Transition, Behandlung in allen Punkten der medizinischen Leistungen die in der S3 Leitlinie aufgeführt sind.
- Recht auf freie Ärzt*innenwahl, Gutachter*innen, Psychotherapeut*innen
- Recht auf Übersetzung durch Sprachmittler*innen
- Recht auf dem Identitätsgeschlecht entsprechende Hilfsmittel wie Perücken, Binder, Kleidung, Kosmetika u.v.m.
- Schulungen für Vollzugsbeamt*innen im Hinblick auf trans* und inter* Inhaftierte, um ein Bewusstsein für die Bedürfnisse und den Unterstützungsbedarf dieser Personengruppen zu schaffen
- Recht auf Unterstützung von Beratungsstellen, um den Findungsprozeß und den Umgang mit Diskriminierungserfahrungen zu begleiten. Auch die Möglichkeit Beratungsstellen aufzusuchen. Berater*innen als Besuch zu empfangen bzw. online zu kontaktieren
- Sicherstellung der oben genannten Forderungen durch die Überprüfung von anderen Stellen, die nicht an die Justiz angeschlossen sind, um eine sichere Aufklärung zu Gewährleisten, wenn es zu Diskrimierungen und Anderem kommt. Ein sogenanntes Aussitzen seitens der Justiz darf es nicht mehr geben. Die intolerante Besonderheit in den JVA’s darf es nicht mehr geben
- Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit, damit trans* inter* und Queere Personen nicht mehr einem so hohen Druck ausgesetzt sind. Was natürlich leider ein noch langer Weg sein wird.
Ich hoffe, dass es eine Verbesserung gibt, wenn die Aufforderung der rechtlichen Lage endlich umgesetzt werden und diese für trans*inter* und queere Insass*innen auch im Alltag spürbar werden.
Nachtrag / Zusatzinfos
Zusammenfassung der MDS Begutachtungsleitung GKV nach §282 SGB V
Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F64.0) vom 31.08.2020
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- Transsexuellen Gesetz (TSG)
Im Rahmen der sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) spielen die Regelungen des TSG von 1980 nur eine untergeordnete Rolle. Die im Rahmen des TSG Verfahrens erstellten psychiatrischen bzw. psychologischen Gutachten zur Personenstandänderung nehmen auftragsgemäß keine Stellung zur medizinischen Indikation geschlechtsangleichender Maßnahmen. (Auszug aus dem Text)
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- Leidensdruck
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Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt der Einschätzung des krankheitswertigen Leidensdrucks bei Transsexualismus als Voraussetzung einer Leistungspflicht der GKV für geschlechtsangleichende Maßnahmen eine zentrale Bedeutung zu.
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- Psychiatrische und Psychotherapeutische Mittel
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Bei der Behandlung des krankheitswertigen Leidensdrucks mit psychiatrischen und psychotherapeutischen Mitteln soll daher inklusive der Diagnostik ein Zeitraum von sechs Monaten nicht unterschritten werden.
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- Geschlechtsangleichende Maßnahmen
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Zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen mit der Möglichkeit der Annäherung an das andere Geschlecht aus Sicht eines „Verständigen Betrachters“ (s. Kapitel 2.1, rechtliche Grundlagen, S12, BSG-Urteil vom 11.09.2012, B1 KR9/R) zählen:
- Arzneimitteltherapie (Gegengeschlechtliche Hormonbehandlung)
- Epilationsbehandlung (Gesicht/Hände) bei Mann-zu-Frau
- Mammaaugmentation
- Genitalangleichende operative Maßnahmen
- Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie
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- Epilationsbehandlung im Gesicht und an den Händen bei Mann-zu-Frau Transsexualismus
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- Genitalangleichende Maßnahmen
- Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie
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Alle Therapien und Behandlungen sind an der S3-LL 2018 angeglichen
3.4 Die Krankenkassen haben nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V über genehmigungspflichtige Leistungsanträge von geschlechtsangleichenden Maßnahmen bei Transsexualismus grundsätzlich innerhalb von 3 Wochen zu entscheiden.