Kundgebung vor der JVA Willich

Zum 18. März, dem sogenannten „Tag der Gefangenen“, möchten wir mit Euch vor den Mauern der JVA Willich Anrath richtig Lärm machen. Wir reisen mit einer fetten Anlage an, damit uns die Gefangenen auch gut hören können. Die Kundgebung ist vor den Mauern des Frauen-Traktes angemeldet. Für uns ist das nicht die erste Kundgebung  vor der JVA Willich. In den letzten Jahren waren wir schon einige Male dort und wir konnten uns mit lautem Rufen über die Mauer hinweg mit den Gefangenen verständigen.

Der Treffpunkt am 21. März in Köln ist um 12:30 Uhr vor der LC 36 (Ludolph-Camphausen Straße 36). Wenn du kein eigenes Auto hast, schreib uns bitte eine Mail an: solidarity1803@riseup.net, damit wir einen Sitzplatz für dich reservieren  und das Hygienekonzept mit dir besprechen können.

Maske tragen!

Abstand halten!

& so wars:

Der „Tag der Gefangenen“ fand diesmal in Willich nicht am 18.03., sondern am 21.03 statt. Da wir nicht wussten, ob und wie viel in Willich von den Gefangenen noch gearbeitet wird, werden darf, werden muss, – (je nachdem, wie mensch das sieht) – haben wir unsere Kundgebung auf den Sonntag gelegt.

Wer sind „wir“? Das ist ein Zusammenschluss von 3 Kölner strafvollzugs- und systemkritischen Gruppen: Solidarity 1803, Autonomes Knastprojekt und Gefangenengewerkschafts-Soli-Gruppe NRW (ggsoli-nrw). Wir waren schon öfter gemeinsam an den Mauern von Köln-Ossendorf und von Willich II.

Zur Situation: Willich I ist die Anstalt für männliche Gefangene, Willich II für weibliche. Unterschiedliche Gebäude auf dem gleichen Gelände. Es gab in den letzten 15 Jahren viele Umbauten auf dem historischen Gefängnisgelände, das etwas vergrößert wurde. Ein Ergebnis: der Neubau der Frauenanstalt (2009 fertig) ziemlich nah an einer Straße und knastüblicher Mauer. Gute Voraussetzung für Beschallung dieser Gebäude! Wir haben – schon früher und jetzt wieder – die Erfahrung gemacht, dass die gefangenen Frauen uns hören können und teilweise auf Parolen und Beiträge auch reagieren.

Wir machen keine breit gestreute Mobilisierung hin zu dem abgelegenen Ort am Niederrhein, bei dem früher keine Kundgebungs-Tradition bestand. Eine gute Lautsprecheranlage und 10 – 30 Leute genügen, um Kommunikation herzustellen.
Dadurch haben die an der Kundgebung Teilnehmenden den Vorteil eines gemeinsamen Nenners, einer gewissen Übereinstimmung: Alle Gefangenen sind „politisch“! Weil die politischen = gesellschaftlichen Verhältnisse die Ausgrenzungs-Institution Gefängnis schaffen und aufrecht erhalten. Wir haben das Interesse, alle Gefangenen zu unterstützen, die nicht nach oben buckeln und nach unten treten. Also diejenigen, die sich der Macht und Willkür in Knästen nicht einfach beugen und die sich dabei solidarisch verhalten zu Mitgefangenen.

Das wurde auch diesmal an der Knastmauer bekundet. Und die Parolen sind dann: „Power durch die Mauer, bis sie bricht“, „Wie sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen“, „Freiheit für alle Gefangenen“ und ähnliches – je nach Teilnehmenden – auf Spanisch, Türkisch oder anderen Sprachen. Diese Parolen werden teilweise von den Gefangenen aufgegriffen, gemeinsam – oder sich im Chor zwischen draußen und drinnen ergänzend – gerufen.

Dass wir verstanden wurden, war an solchen Reaktionen am 21.03. deutlich erkennbar. Und es gab erfreulich viele Reaktionen von drinnen! Allerdings konnten wir viele eigenständige Rufe der Gefangenen nicht wirklich verstehen. Wir hörten halt engagierten Lärm, oft durcheinander und aus verschiedenen Häusern, aber halt doch zu leise für unsere Ohren an der Außenseite der Mauer. So konnten wir kaum inhaltlich reagieren, außer den Gefangenen mitzuteilen, dass wir ihre Rufe hören und uns darüber freuen. Manchmal haben wir auch eingestanden, dass wir zwar hören, aber nicht wirklich verstehen können.

Die Kundgebung verlief mit mehreren Haltepunkten entlang der zugänglichen Knastmauer mit den (meist unverstärkten) Parolen, andererseits mit Musik und Reden aus dem Lautsprecher.
Die Gruppe Solidarity 1803 hatte (auch) diesmal die Organisation der Veranstaltung übernommen und stellte die meisten Redebeiträge. Sie hatte z.B. eine mehrsprachige Vorstellung ihrer Gruppe aufgezeichnet. Diese spielten sie an mehreren Punkten ab, um sich für viele verständlich zu machen und zu zeigen, dass es auch um den Zusammenhalt der Gefangenen aus unterschiedlichen Herkunftsländern geht. Die Gruppe verkündete u.a., dass sie für Gefangene ein neues „EXTRABLATT“ (Nr.3) hergestellt hat und diesen gerne zuschicken will. Aber GG-Soli-NRW und Autonomes Knastprojekt brachten sich auch dem eigenen Bedürfnis entsprechend ein.

Alle Gruppen betonten ihren Wunsch nach (mehr) wechselseitiger Verständigung und Kooperation über den einen „Tag der Gefangenen“ hinaus und beschrieben ihr eigenes Selbstverständnis. Anwesend und aktiv war auch eine entlassene ehemalige in Willich Gefangene, die Gewerkschaftsmitglied war und noch Kontakt zu GG-Soli hat. Ein Paar, das selbst Kontakte zu Gefangenen pflegt und auf die Bürgerfunk-Radiosendungen des Autonomen Knastprojektes aufmerksam wurde, war auch gekommen und mischte sich unterstützend ein.

Schlusspunkt der Kundgebung war das Haus des Offenen Vollzugs für Frauen, außerhalb der
Knastmauer, aber direkt neben dieser. Da hingen Frauen aus mehreren Fenstern, winkten, gingen mit der Musik mit, äußerten auch Musikwünsche. Sie riefen, dass das derzeit gar kein Offener Vollzug sei, da sie durch Corona bedingt nicht draußen arbeiten können und ihnen die (sowieso begrenzte) Bewegungsfreiheit genommen ist. Und sie bedankten sich am Ende für unseren Besuch. An dieser Stelle konnten wir uns also gegenseitig sehen und vieles – wenn auch nicht alles – von denen drinnen verstehen.

Exkurs:

GG-Soli unternahm an diesem Haltepunkt auch den Versuch, sich für ein paar Männer in Willich I, also hinter der Mauer, hörbar zu machen. Es besteht die schwache Hoffnung, das könne von dort möglich sein. Der alte Kreuzbau der Männer liegt überall weiter entfernt von der Mauer als das relativ neue Gebäude für Frauen. Der ist also mit einer Kundgebung kaum erreichbar. Trotzdem, in den Spitzen von zwei Gebäudeflügeln könnten Gefangene vielleicht ein paar Brocken aufschnappen. Sofern diese Flügel derzeit überhaupt belegt sind. (Weil auch im Männerbau umgebaut werden soll, gab es Verlegungen in andere Knäste.)

GG-Soli betonte, dass Willich I bundesweit das erste Gefängnis war, in dem sich Gefangene umgehend der in Berlin Tegel (2014) gegründeten Gefangenengewerkschaft anschlossen haben. Das geschah aufgrund der Initiative von André Moussa Schmitz, der auch GG-Sprecher für Willich I und Werbeaktivist für ganz NRW wurde. Das waren erste Schritte zur bundesweiten Organisation.
Willich I war dann eine Zeit lang die größte Gewerkschaftssektion nach Tegel. Als Schmitz nicht mehr in Willich war, fehlte der großen Gruppe ein Koordinator. Es gab kaum noch Rückkopplung an die Soli-Gruppe.
Dies änderte sich erst, als „der Franz“ nach Willich kam. Es gab wieder Anmeldungen und Austausch. Es bewegte sich wieder was. Doch Franz wurde schnell abgeschossen und verlegt. Er war wohl zu unbequem. Und danach war wieder Stille in Willich I. Zumindest bekamen wir von draußen nichts mehr mit. Wir fragten also die Männer hinter der Mauer, ob sie nicht wieder einen neuen Aufbruch unternehmen wollen. Aber wahrscheinlich hat das niemand drinnen gehört.

Wir betonen, dass auch für uns von ggsoli-nrw das hauptsächliche Ziel der Wanderkundgebung in der Kommunikation mit den Frauen bestand. Auch dort gab es viele Gewerkschaftsmitglieder. Die spontane Rede an die verschollenen Männer war nicht geplant. Aber da die Kölner Soligruppe seit Mai, Juni 2014 besteht, leidet sie unter dem Zusammenbruch der früheren „Vorzeigesektion“ Willich I. Und da gab es halt auch die Versuchung, die Männer auf diese Vorgeschichte hinzuweisen. Auch wenn das so wohl nicht funktioniert, sie zu agitieren …

Fazit

Positive Rückmeldungen hatten wir direkt bei der Kundgebung nur von den Frauen. Hoffen wir, dass zumindest einige, die laut und vielfältig auf unsere Kundgebung reagiert haben, jetzt wieder einen positiven Anschub bekommen haben. Denn auch bei ihnen lahmt die Selbstorganisation, seit die ehemaligen Sprecherinnen der GG und einige sehr aktive Gefangene nicht mehr im Knast sind. Und was nützt uns ein „Tag der Gefangenen“, wenn daraus nicht wieder eine bessere Kommunikation zwischen drinnen und draußen entsteht, das ganze Jahr über? Doch diese Hoffnung ist da. Offensichtlich haben sich einige Frauen über den Besuch gefreut. Mal sehen, was draus wird!

GG-Soli-NRW
aus Köln

Nachtrag:

Die Kundgebung vom 21.03. war angemeldet. Wir waren 15 oder 16 Teilnehmende. Wir hielten Abstand. Alle trugen Masken, die für gefährdete Räume vorgeschriebenen sind. Ist doch lustig, wenn sonst Vermummung bei Kundgebungen verboten ist!
Zwei kleine Polizeiautos begleiteten unseren Weg auf der ansonsten ziemlich ungenutzten Straße. Es gab keine Zusammenstöße. Wir haben die Mauer nur mit Worten und Musik bombardiert.

Aber als wir gerade in Köln angekommen waren, rief die ehemals Gefangene im GG-Soli-Büro an, sie habe eine unangenehme Begegnung gehabt. Als sie an der S-Bahn Haltestelle stand, die sich in unmittelbarer Nähe des Knastgeländes befindet, sei sie von 2 Polizisten aufgefordert worden sich auszuweisen. Sie fragte warum, sie habe doch nichts getan. Protestierte etwas gegen die Belästigung. Sie sagte, ihr Zug komme gleich und zeigte … nicht ihren Personal-Ausweis, sondern ihre aus dem Automaten gezogene Fahrkarte. Und tatsächlich näherte sich gerade dann der Zug. Die Polizisten drehten ab.
Nachher erklärte mir ein anderer Kundgebungs-Teilnehmer, auch unsere Autos seien doch bis zur Autobahn „begleitet“ worden. Das hatte ich gar nicht bemerkt.
Aber was sollte denn das? Trauten die uns zu, wir könnten die Mauer noch in der Nacht zum brechen bringen? Nee, nee, das braucht noch einige Zeit …

Eine naive Teilnehmerin

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